Die Tasche mit den Skischuhen flog nach vorne zum Armaturenbrett. Ich weiß noch genau, dass ich darüber ärgerlich war. Ich packte die Tasche, versuchte sie nach hinten zu schleudern und merkte schon, dass ich in meiner Bewegung eingeschränkt war. Mein Blick fiel auf die Windschutzscheibe. Diese hatte lauter feine Linien und das Glas war in alle möglichen Richtungen zersprungen. Der nächste Blick fiel auf die Kupplung. Dort sah ich ein Loch und konnte auf die Erde sehen. Es kam ein Gedanke in meinen Kopf, der da lautete: „Oh, so können wir wohl jetzt nicht weiterfahren“. Meine Wahrnehmung war verzerrt und doch war ich sehr klar in meinem Kopf.
Was war passiert?
Es war der 4. April 2003 und wir waren mit dem Auto unterwegs zum Skifahren. Anstelle zum Skifahren landeten wir im Krankenhaus von Bad Reichenhall. Wir waren auf der Autobahn unterwegs und kamen mit unserem Auto am Ende eines Staus hinter einem Lkw zum Stehen. Ein Autofahrer sah dieses Stauende nicht, versuchte noch ein anderes Auto zu überholen und schoss uns wie eine Billardkugel ab.
Vollsperrung, Hubschrauber, Krankenwägen, das ganze Drumherum und wir mitten drin. Wie durch ein Wunder ist uns damals nichts passiert. Gehirnerschütterung, Blutergüsse, Platzwunde, Kopfschmerzen und eine Zeit lang verlangsamtes Denken, damit konnte man leben, waren wir doch am Leben. Ich sage noch heute: „Da hat eine Heerschaft an Engel auf uns aufgepasst“. Die Bilder vom Auto, der ganze Hergang, das hätte alles anders ausgehen können.
Einige Wochen nach dem Unfall erlebte ich mich sehr klar präsent und im Hier und Jetzt. Da brauchte ich keine Meditationspraxis. Ich war einfach im Moment. Dieser Zustand hat sich einige Monate später im Laufe des Alltages wieder verflüchtigt und verändert.
Was blieb hängen?
Ich trat im Mai 2003 eine neue Arbeitsstelle an und hängte mich in mein neues Aufgabengebiet rein. Mein Leben ging weiter und ich dachte, dass alles normal ist. Normal ja, aber eine komische Sache gab es doch.
Fuhr ich als Beifahrerin im Auto und es wurde auf der Autobahn schneller als 100 km/h wurde ich unruhig. Ich bekam feuchte Hände, rutschte auf meinem Sitz hin und her, konnte nicht richtig atmen und hätte am liebsten die Türe aufgemacht, um auszusteigen. War ich auf der Landstraße unterwegs oder in der Stadt, war alles in Ordnung, nur nicht auf der Autobahn.
Dieses Verhalten tauchte nicht nur einmal auf, sondern jedes Mal auf der Autobahn. Zu diesem Zeitpunkt war ich keine angenehme Beifahrerin. Irgendwann realisierte ich für mich, dass ich von dem Autounfall ein Trauma hatte. Dieses Verhalten hatte ich vor diesem Erlebnis nicht. Ich überlegte mir immer wieder professionelle Hilfe zu holen, wusste aber nicht wo und bei wem und so verging die Zeit. Ein innerer Anteil von mir hoffte natürlich, dass sich mein Verhalten in Luft auflöst, aber das tat es nicht.
Wie es mir gelang, dieses Verhalten wieder zu verändern
2007 war es so weit, dass ich mich diesem Verhalten stellte. Zu diesem Zeitpunkt wendete ich die Klopfakupressur schon zwei Jahre an. Allerdings kam ich nicht von alleine auf die Idee, diese auf mein Verhalten anzuwenden. Ich absolvierte die verschiedenen Seminarstufen für die Klopfakupressur (EFT) und war zu einem zehntägigen Intensivworkshop auf Kreta.
Dort ging es tief in die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten und –felder der Klopfakupressur hinein. Ein Bestandteil war, neben der reinen Wissensvermittlung an eigenen Themen zu arbeiten. Der Seminarleiter sagte zu Beginn des Kurses, dass wir uns ein bis zwei Themen aussuchen können, die wir gerne bearbeiten und verändern möchten. Erst da kam ich auf die Idee, dass ich mir mein „komisches Verhalten“ beim Autofahren betrachten könnte.
In meinem Artikel, EFT – Die Grundannahme leichter verstehen, habe ich dich tiefer mit der Grundannahme vertraut gemacht.
Es ist nicht wichtig, den Grund oder den Auslöser zwingend kennen zu müssen, damit du dieses Durcheinander verändern kannst.
Was bedeutete das nun für mich?
Den Auslöser kannte ich, es war der Autounfall. Mein körperliches Durcheinander war: schwitzige Hände, Luft anhalten, nicht richtig durchatmen können, hin- und her rutschen, Unruhe im ganzen Körper, unangenehmes Kribbeln in den Füßen usw.
Auf mentaler Ebene gab es Gedanken wie:
- Autobahnfahren ist gefährlich
- Ich will lieber Landstraße fahren
- Hier sind viele Autos, wieso fahren die alle hier?
Die Gedanken spielten sich nicht nur in meinem Kopf ab, sondern der Fahrer bekam noch Kommentare ab:
- Kannst du bitte langsamer fahren?
- Fahr nicht so dicht auf.
- Da vorne ist ein Stau.
Anhand dieser Beispiele siehst du, welches Durcheinander in mir war. Dieses Durcheinander spielte sich vermeintlich gleichzeitig in mir ab und so war es für mich nicht greifbar.
Wie löste ich dieses Verhalten auf?
In der Klopfakupressur gibt es eine ganz spezielle Vorgehensweise, um solche Erlebnisse bearbeiten zu können. Horst, mein damaliger Coach und Mentor, wandte die sogenannte Filmtechnik bei mir an. Ich durfte nur das Wort Autounfall denken bzw. aussprechen und nicht tiefer in das Erlebnis eintauchen. Dann wurde ich gefragt, was ich in mir wahrnehme. Das erste, was mir auffiel, war dieses stressige Kribbeln in meinen Füßen. Ich schätzte es auf einer Skala von 0 bis 10 ein und dann ging es mit dem Klopfen los. (10 ist der maximale Belastungswert).
Wir bearbeiteten nur mein stressiges Kribbeln in den Füßen, solange bis dieses Gefühl sich veränderte und es sich für mich neutralisierte. So gingen wir alle Aspekte durch, die mit dem Erlebnis des Autounfalles zusammen hingen und das war eine ganze Menge. Dabei beklopften wir alle auftauchenden körperlichen, gedanklichen und emotionalen Aspekte, die auftauchten.
Was veränderte sich?
Nach einer guten Stunde waren wir mit dem Thema durch und ich im wahrsten Sinne des Wortes durchgeklopft. Ich durfte mir erst mal innerlich Zeit lassen und bemerkte sofort eine große innere Befreiung in mir. Ich konnte wieder ans Autofahren auf der Autobahn denken, ohne irgendwelche stressige Anzeichen zu fühlen.
Der große Unterschied besteht darin, dass ich belastungsfrei über das Erlebnis sprechen kann. Es würde nicht in meinem Kopf gelöscht, aber das entstandene Durcheinander wurde aufgelöst. Das ist ein großer Unterschied.
Heute kann ich wieder ganz entspannt als Beifahrer auf der Autobahn mitfahren. Ich kann die Augen zu machen und nebenan schlafen, sowie vor dem Autounfall.
Wie die Klopfakupressur angewendet wird, erfährst du in folgendem Artikel: EFT – Wie funktioniert die Klopfakupressur? Eine Beschreibung der Vorgehensweise.
Danke für den Artikel! Ich habe im letzten Herbst mit einer EFT Klopftechnik gegen Heisshunger und emotionales Essen begonnen. Was soll ich sagen? Es wirkt. Muss aber gemacht werden. Toll, dass du darüber schreibst!
Herzliche Grüessli
Jeannine
Liebe Jeannine, vielen Dank für deine Rückmeldung. Es freut mich, dass dir der Artikel gefällt. Die Klopfakupressur ist ein wunderbares Selbsthilfeinstrument, denn die Hände haben wir überall dabei. Schön, dass dir die Klopftechnik bei deinem Heißhunger und emotionalem Essen geholfen hat. Herzliche Grüße, Gisela
Das ist ein total spannender Artikel, liebe Gisela! Ich habe auch ein Anwendungsfeld und kann den grundsätzlichen Artikel kaum abwarten. Toll, wie du dein „komisches“ Verhalten in den Griff bekommen hast, und deine Beschreibung, wie du zu der erlösenden Erkenntnis kamst, finde ich sehr ergreifend.
Danke für ein neues Wissensfeld,
Silke
Sehr gerne liebe Silke. Ja, es war sehr belastend und ich bin heute heilfroh, wieder ein „normales“ Verhalten zu haben. Es ist so wichtig, sich Hilfe zu holen, wenn es nötig ist. Ich hätte mir im Nachgang ein paar „belastende“ Jahre als Beifahrerin sparen können. Ganz liebe Grüße, Gisela