Abschiednehmen und loslassen fängt mit dem ersten Atemzug an und endet mit dem letzten Atemzug. Dazwischen liegen viele Phasen des Schmerzes, des tiefen Wachstums, der Erkenntnis, wer man ist und der Neuschöpfung. Ein Hineinwachsen der Seele zu ihrem reinen Sein. Je nach Alter und Lebensphase fühlt sich das Loslassen unterschiedlich an. Egal wie schmerzhaft es ist, es gibt immer Transformation und eine Neuschöpfung. Anbei ein Gedanken-Impuls zum bewussten Abschied im hohen Lebensalter.
Abschied im Alter
Schreck, der sich durch meine Glieder zieht.
Atmen – Durchatmen.
Die erste Aufregung sich legend,
den ersten Gedanken zulassend.
Alle Menschen die mir etwas bedeuten gehen aus meinem Leben.
Atmen – Durchatmen – nach Worten suchend.
Der Auszug aus der gemeinsamen Zeit beginnt – JETZT.
Hat er nicht schon in der ersten Begegnung begonnen?
Die Erinnerungen der Freundschaft sind vor meinem Auge – loslassen.
Ich darf sie loslassen.
Das eigene Gebrechen sehend und das Gebrechen des anderen.
Zeit – Wie viel Zeit bleibt uns noch?
Sammeln – tiefes Sammeln in der eigenen Seele.
Akzeptanz schaffen für mich und den anderen.
Atmen – Durchatmen – die gemeinsamen Wochen nutzen.
Nur die Nähe des anderen suchend und seine Worte,
fühlend in stillen Gesten, die Dankbarkeit fühlend.
Tiefes, erfülltes Bewusstsein.
Schöne Jahre der Freundschaft.
Freundschaft im wahren Sein, den anderen wirklich in der Seele fühlend.
Was gibt es Wichtigeres?
Im außen gibt es nichts mehr zu tun, nichts zu erreichen, kein wollen und müssen.
Jetzt gilt es nur noch beieinander zu sitzen – ohne Worte.
Blicke in die Augen des anderen,
erkennen und den anderen verstehen.
Worte die dann doch irgendwann kommen.
Worte der Dankbarkeit, für die geteilte Zeit, für das Sein mit dem anderen.
Sein zu können, wie man ist und wahr.
Sich immer gezeigt hat, in seiner Seelenpräsenz, so wie man ist.
Es gab kein Erreichen mehr, nur wahre Wertschätzung.
In jedem Augenblick. Jetzt und immer nur Jetzt.
Jetzt ist der Tag des Abschiedes.
Letzte gemeinsame mit Achtung gesprochene Worte.
Nun sind die Worte gesprochen.
Du sitzt im Auto, ziehst fort in ein anderes Haus.
Ein anderes Haus, das so fern ist, dass es kein wirkliches Wiedersehen mehr gibt.
Du sitzt aufrecht im Auto, richtest dich auf.
Dein Blick glasklar, meine Augen suchend.
Du nickst mir zu,
deine Augen nicken, durchdringen.
Wir sehen uns tief in die Augen.
So wie wir waren und sind.
Ein Blick auf Seelenebene, wo keine Worte notwendig sind.
Das Auto fährt los mit dir,
ich gehe zurück ins Haus.
Eine weitere Freundschaft habe ich losgelassen.
Wieder ging eine wahre Begegnung mit einem Menschen.
Meine Seele fühlend – in mich gehend –
wissend – dass meine Seele nun weiter ihren Weg geht.
Meinen Weg weiter gehend,
in tiefem Gottvertrauen – so wie Gott will
Nicht wissend, wie meine verbleibenden Tage sein werden.
Mein Vertrauen in Gott ist da.
Er wird mich tragen, was auch immer geschieht.