Mitten im Lichterglanz
Gestern ging ich gedankenverloren über den Weihnachtsmarkt und ließ mich ein wenig von den funkelnden Lichtern tragen. Auf dem Weg zurück zu meinem Auto, das ich etwas weiter außerhalb geparkt hatte, dämmerte es bereits.
An der Bushaltestelle sprach mich ein älteres Ehepaar an.
Sie fragten, wie sie in eine bestimmte Richtung kämen, dort wohne ihr Sohn, sagten sie.
Ich blickte auf die Haltestelle und erklärte, dass sie auf die andere Seite müssten. Also ging ich mit ihnen hinüber, schaute auf den Fahrplan und sagte: „In zehn Minuten kommt der Bus.“
Während wir warteten, fragte ich nach der Straße, zu der sie wollten. Und während sie suchten, merkten wir alle drei: Sie wussten weder genau, wie die Straße hieß, noch ob sie aus dem Seniorenstift hier in der Stadt oder aus der nächstgrößeren Stadt gekommen waren.
So ging ein kleines Ping-Pong aus Vermutungen, Erinnerungsfetzen und fragenden Blicken hin und her.
Als der Bus kam, bat ich die Fahrerin, uns mitzunehmen, denn wir waren längst durchgefroren. Die Menschen im Bus machten Platz, sodass der Mann sich setzen konnte. Die Frau wollte unbedingt neben ihrem Mann stehen bleiben. Ein junger Mann im Bus hörte zu und half sofort mit: Er suchte mögliche Straßen auf seinem Handy heraus, fragte freundlich nach und versuchte, mit uns gemeinsam Licht ins Dunkel zu bringen.
Nach drei Haltestellen wollten die beiden aussteigen, weil ihnen etwas bekannt vorkam.
Die Frau sagte immer wieder: „Das ist mir noch nie passiert. Es ist mir so peinlich. Das passiert mir nie wieder.“ In ihrer Stimme lag Verzweiflung.
Ich erfuhr ihren Nachnamen, hörte, dass der Mann ursprünglich aus Schlesien stammte und mit seiner Mutter im Zweiten Weltkrieg geflohen war. Kleine Lebenssplitter, die plötzlich im Abendlicht auftauchten.
Draußen war es sehr kalt und wir drei froren, die Frau zitterte schon. Mein Auto stand jetzt in der Nähe, und gerne hätte ich sie nach Hause gefahren. Doch da ich bemerkte, dass ich ohne ein klares Ziel nur durch die Gegend fahren würde, nahm ich die Hände der Frau, drückte sie und sagte:
„Ich rufe jetzt die Polizei. Die helfen Ihnen weiter und ich bleibe so lange bei Ihnen. Ich lasse Sie hier nicht alleine stehen.“ So standen wir da, ich wärmte der Frau den Rücken und wir bildeten eine kleine Gemeinschaft.
Zehn Minuten später übergab ich die beiden an die eintreffende Polizei. Dankbar, erleichtert und zugleich berührt.
Selbst zu einem „Eiszapfen“ geworden, dachte ich auf dem Heimweg über all das nach. Wie wichtig Mitmenschlichkeit im Alltag ist, gerade jetzt, in der Vorweihnachtszeit und dass nicht die Weihnachtsgeschenke im Vordergrund stehen. Wie leicht es ist zu helfen, wenn wir zuhören. Wie mutig es manchmal ist, um Hilfe zu bitten und sich diesen Schritt zu trauen.
Es war bewegend zu sehen, wie der junge Mann im Bus mitdachte, wie die Busfahrerin uns unkompliziert mitnahm und wie selbstverständlich kleine Gesten zusammenkommen können, wenn jemand unsere Unterstützung braucht.
Vielleicht geht es genau darum in diesen Tagen:
Nicht im Weihnachtstrubel zu versinken, nicht im Geschenke einkaufen verloren zu gehen, sondern immer wieder neu zu sehen, wie wir einander stützen können. Im Kleinen, im Warmen, im Menschlichen, mit Worten, mit Gesten.

